Der Vorsitzende des Sportvereins Feldberg, Joachim Wittstock, legte gestern abend in der Vorstandssitzung mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder. BZ-Mitarbeiterin Tina Hättich hat sich mit dem 64-Jährigen, der seit 1999 mit einjähriger Unterbrechung SV-Vorsitzender war, über nicht mehr zeitgemäße Vereinspolitik, erfolgloses Wachrütteln und den Großverein der Zukunft unterhalten.

 

BZ: Ihre bereits angekündigte letzte Amtszeit läuft offiziell am 28. Januar 2011, dem Termin der nächsten Jahresversammlung ab. Warum dieser plötzliche Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt ?

Wittstock: Es gibt für mich mehrere Gründe, knapp fünf Monate vorher mein Amt niederzulegen. Der einfachste Weg wäre sicher gewesen, bis zum Ende auszuharren und dann einfach zu gehen. In meinem vorzeitigen Rücktritt sehe ich die einzige Möglichkeit, öffentlich auf den Ist-Zustand des Vereins und auf die allgegenwärtige Problematik des heutigen Vereinslebens – insbesondere hier in Feldberg – aufmerksam zu machen. Obwohl all meine bisherigen Äußerungen zu diesem brisanten Thema bei den meisten meiner Gesprächspartner Reaktionen von Unverständnis, über Belächeln bis hin zu Ignoranz hervorgerufen haben, habe ich es bis zuletzt nicht aus den Augen verloren. Ich kann in keiner Weise verstehen, dass auch in anderen sporttreibenden Feldberger Vereinen teils seit Jahren wichtige Ämter vakant bleiben oder nur kurzfristig besetzt werden und dennoch die Verantwortlichen, die Situation falsch einschätzen oder sogar schönreden. Trotz zweijähriger, intensiver Bemühungen ist es auch meinen Vorstandskollegen und mir nicht gelungen, einen Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden zu finden. Es ist aus meiner Sicht fatal, diesen wichtigen Punkt erst auf der Hauptversammlung zu klären und somit die Zukunft des Vereins dem Zufall zu überlassen. Für den langfristigen Fortbestand des SV Feldberg muss unbedingt ein funktionsfähiger Vorstand gewährleistet sein.

BZ: Gab es in jüngster Vergangenheit nicht noch den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?

Wittstock: Für 2010 haben wir mit unserer Jubiläumsveranstaltung "25 Jahre Tennisabteilung" mit einer zusätzlichen Einnahmequelle für unsere aufgrund von Miet- und Pachtrückständen nahezu leere Vereinskasse kalkuliert. Das Ergebnis war bekanntermaßen ein Desaster ! Wenn außer unseren Vereinshelfern nur ganz wenige Gäste vor und in der Feldberghalle auszumachen waren, ist ein Fehlbetrag für jeden nachvollziehbar. Für das Organisationskomitee, die Helfer und auch für mich hat das Fest einen enorm frustrierenden Eindruck hinterlassen. Wir hatten ein tolles, abwechslungsreiches Programm für alle Altersklassen auf die Beine gestellt, weshalb das Fernbleiben vieler Vereinsmitglieder, Feldberger Bürger und Gemeinderäte in keiner Weise zu erklären ist. Für mich überhaupt nicht nachvollziehbar ist – ich muss es so deutlich ausdrücken – der Boykott unseres Festbanketts durch die Feldberger Vereine. Der SV Feldberg hat in der Vergangenheit dazu keinen Anlass gegeben, er hat im Gegenteil das Gemeinsame zu allen Vereinen immer gesucht und durch sein Handeln bewiesen, wie man am Beispiel der Vereinsweihnacht und des Herbstfestes sehen kann.

BZ: Wie ist die sportliche Situation innerhalb des SV Feldberg ?

Wittstock: Im Jugendfußball entwickelt sich, aufgrund des demografischen Wandels, eine prekäre Situation. Ein konkretes Beispiel: Jugendleiter Karsten Wittenberg konnte noch in der letzten Hauptversammlung 52 Kinder und Jugendliche nennen, die im SV Feldberg ehrenamtlich betreut wurden. Der aktuelle Stand heute liegt bei 34 Kindern. Der komplette A-Jugend-Bereich ist zu den Aktiven gewechselt, andere Spieler haben aus unterschiedlichsten Gründen aufgehört und zwei Spieler sind nach Neustadt gewechselt. Im August ist Karsten Wittenberg, um ein deutliches Signal zu setzen, mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten. Weiterhin bemängelt er, dass sich die Mitglieder des SV Feldberg zum großen Teil nicht mit ihrem Verein identifizieren und zu viele andere Aufgaben, neben denen eines Jugendleiters, zu erledigen sind.

BZ: Wie will der SV Feldberg den demografischen Wandel bekämpfen?

Wittstock: Das Problem ist nicht von einem einzelnen Verein zu lösen, es muss von den vier Sportvereinen zusammen angegangen werden, obwohl wir als teilweise mannschaftssporttreibender Verein natürlich direkter davon betroffen sind. Ich kann nicht nachvollziehen, warum das in einer Gemeinde in Feldbergs Größenordnung nicht begriffen wird. Ein zusätzliches Problem stellt sich auch für die einzelnen Mitglieder dar, die aufgrund ihrer Doppel- oder Mehrfachmitgliedschaft für Helfereinsätze vereinnahmt werden müssen, um die finanzielle Grundlage der Vereine abzusichern. Hier würde ein Großverein das Problem deutlich reduzieren – abgesehen davon, dass viel effizienter und kostengünstiger mit mehreren Sportabteilungen unter einem Dach gearbeitet werden kann und vor allem die Kommunikation untereinander viel besser funktioniert. Zurückkommend auf den demografischen Wandel stellt sich mir die Frage, wie weit ein einzelner Verein gehen will, wenn der Nachwuchs ausbleibt. Spätestens hier muss doch, insbesondere im Interesse unserer Feldberger Kinder – darüber nachgedacht und auch entschieden werden, dass ein Großverein eher eine Chance hat, weiterzuexistieren, als ein Verein, dem irgendwann, in nicht allzu langer Zeit, die Luft ausgeht.

BZ: Wer sollte denn das Thema eines Großvereins anpacken ?

Wittstock: Natürlich die Vereine selbst – vielleicht braucht es hier aber auch die Unterstützung der Gemeindeverwaltung, wie bei der Zusammenführung der Teilortsfeuerwehren. Hat beispielsweise die Kameradschaft unter diesem Zusammenschluss gelitten? Die Argumente der jeweiligen Sportvereine, dass die Vereinsidentität bei einem Zusammenschluss verloren geht, ist sicherlich heute nicht mehr stimmig. Gibt es denn diese so viel beschworene Identität überhaupt noch? Spätestens bei den Nachwachsenden hebt sich dieses Problem doch von alleine auf. Es sind doch alles Feldberger, die dann in einem Verein Mitglied sind. Nur das kann aus meiner Sicht die Vereinspolitik der Zukunft sein.

BZ: Ist es für Ihren Nachfolger wirklich hilfreich, dass Sie diese Themen im Vorfeld der Nachfolgesuche so offen nennen ?

Wittstock: Wem nützt es, wenn hier nicht offen kommuniziert wird ? Dem Verein ganz sicher nicht, wenn ein Vorsitzender in der Jahresversammlung gewählt wird, der nicht weiß, auf was er sich einlässt, und dem Nachfolger auch nicht, wenn er in ein Amt "reinschlittert", ohne die anstehenden Aufgaben zu kennen. Offenheit ist eine Tugend der Fairness und des Anstandes, was kann daran falsch sein? Es bietet sich dem Verein und meinem Nachfolger die Chance, alles auf den Prüfstand zu bringen und da, wo es notwendig ist, neue Wege zu gehen. Mein Verein hat durch mein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Amt noch einige Monate die Möglichkeit, sich intensiv mit meiner Nachfolge auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Ich selbst stehe meinem Nachfolger gern beratend für eine Einarbeitung zur Verfügung.

BZ: Wie lautet Ihr persönliches Fazit zum Schluss ?

Wittstock: Es hat mir persönlich viel bedeutet, über viele Jahre gemeinsam mit meinen Vorstandsmitgliedern die Verantwortung für den SV Feldberg getragen zu haben. Für das Vereinsleben bei uns hier im Hochschwarzwald möchte ich abschließend nochmals bemerken: Die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, wird ein böses Erwachen geben. Ein unter den Tisch kehren der hier von mir angesprochenen Problematiken dürfte Auswirkungen haben, die in ihrer vollen Tragweite bis jetzt noch nicht erkannt wurden. Ich wünsche mir, dass in naher Zukunft die Zeit auch in den Köpfen der Verantwortlichen endlich reif für diese Veränderung nach vorne ist – und zwar, bevor sämtliche Feldberger Vereine am Ende sind.

(aus der Badischen Zeitung, 14.09.2010)